Zum Inhalt springen

AMOS HS:Die prekäre Situation in der 24-Stunden-Pflege - ein ungelöstes Problem!

Setzen sich unermüdlich für die Rechte von Beschäftigten in der häuslichen 24-Stunden-Betreuung ein (v. l. n. r.): Hans-Werner Quasten (AMOS eG), Achim Kück (KAB), Wilfried Wienen, Rosi Becker (beide Respekt) und Johannes Eschweiler (AMOS eG).
Das Selbsthilfenetzwerk „Respekt“ und seine Träger verstärken ihre Bemühungen und richten einen Appell an die Verantwortlichen in Berlin
Datum:
19. Jan. 2023
Von:
Thomas Hohenschue

Auch in unserer Region und unserem Bundesland leisten 24-Stunden-Pflegekräfte einen unverzichtbaren Dienst für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen. Sie betreuen die betroffenen Menschen rund um die Uhr, unter schwierigen Bedingungen, wenig abgesichert, gering entlohnt, häufig auch der Willkür von Agentur oder Familie ausgesetzt. Ihre ausländische Herkunft wird ausgenutzt.

Die Initiative „Respekt“ hat in den letzten Jahren tiefe Einblicke in diese Schattenwelt gewonnen. Sie weiß aus ihrer Beratungs- und Vernetzungsarbeit im Kreis Heinsberg bestens Bescheid, was den 24-Stunden-Pflegekräften hilft und was nicht. Seine Expertise hat das Selbsthilfenetzwerk nun in zwei Projekte eingebracht.

Ein wichtiges Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten ist der Sitz von AMOS eG. Dieses Sozialwerk von Christinnen und Christen aus dem Kreis Heinsberg ist mit der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und der Betriebsseelsorge im Bistum Aachen Träger von „Respekt“. Die Initiative selbst arbeitet vorrangig mit ausländischen Frauen aus der 24-Stunden-Pflege.

 

www.respektcare.de – neue Informations- und Vernetzungsplattform im Internet

24-Stunden-Pflegekräfte unterstützen, lotsen und verbinden: Das will eine neue in mehreren Sprachen gestaltete Informations- und Vernetzungsplattform, erreichbar über www.respektcare.de. Die für alle Endgeräte vorbereitete Internetseite ist aus einer Zusammenarbeit von „Respekt“, KAB und Betriebsseelsorge im Bistum Aachen entstanden. Bei Finanzierung und Umsetzung unterstützte die Innovationsplattform der Diözese.

Maßgeblich sind bei diesem Projekt die Erfahrungen und Anregungen von „Respekt“ aus der Arbeit mit vorrangig osteuropäischen Frauen eingeflossen. Diese sind so stark in die 24-Stunden-Betreuung pflegebedürftiger Personen eingebunden, dass sie selten Zeit für Treffen außerhalb des häuslichen Rahmens haben. Ergänzend zu den Austauschen und Beratungen vor Ort ist somit der mobile Zugang zu Infos und anderen Betreuungskräften wertvoll.

Der Informationsbestand von www.respektcare.de ist bereits beachtlich. Betreuungskräfte finden dort zum Beispiel Anlaufstellen in NRW und darüber hinaus, aufgefächert nach so verschiedenen Themen wie Arbeit und Gehalt, Deutsch- und Pflegekursen, Freizeit und Seelsorge. Die Isolation vieler Betreuungskräfte ist ein großes Problem, so dass die Plattform auch den Versuch startet, auf digitalem Weg zu vernetzen, verifiziert und vertraulich.

 

Weichen richtig stellen – Agenturen und Familien nicht aus der Verantwortung entlassen

Die Situation in der 24-Stunden-Pflege ist vielfach desolat. Da wir auch nach einem Jahr neuer Bundesregierung noch keine Bewegung in dieser Zukunftsfrage sehen, weisen wir die Öffentlichkeit auf den hohen Handlungsdruck hin. Wir tun dies im Sinne der betroffenen Beschäftigten aus europäischen Ländern, letztlich aber auch im Sinne der Familien, die eine gute, bezahlbare und sozial anständige Pflege für ihre Angehörigen brauchen.

Die Politik ist unter Druck, das Feld neu zu regeln. Wieder einmal ist es ein höchstes Gericht, das diesen Impuls setzen muss. Das Bundesarbeitsgericht hat 2021 festgelegt, dass künftig Beschäftigte in der 24-Stunden-Pflege den Mindestlohn erhalten sollen. Die konkrete Ausgestaltung ist dem Gesetzgeber überlassen. Nun werden Modelle aus anderen Ländern diskutiert, unter anderem das österreichische Modell, das auf Selbstständigkeit setzt.

Dieser Weg ist ein Holzweg, der die bereits bestehenden Probleme bei den Bedingungen, der Entlohnung und Absicherung der Betreuungsarbeit eher verschärft. Zu diesem Fazit kommen „Respekt“, seine Träger sowie Mitstreiter aus anderen Regionen Deutschlands in einer neuen gemeinsamen Stellungnahme. Scheinselbstständigkeit, noch mehr Recht- und Machtlosigkeit gegenüber Agenturen und Familien und Altersarmut wegen geringer Renten drohen.

Dem gegenüber fordern „Respekt“ und die anderen Unterzeichnenden der Stellungnahmen eine echte, also wirksame Regulierung der häuslichen 24-Stunden-Betreuung. Das Gesetz soll nach unserem Willen nicht nur absichern, dass das Gerichtsurteil zum Mindestlohn umgesetzt wird. Sondern es soll auch die bestehenden Gesetze in Fragen wie zum Beispiel von Arbeitszeiten, Arbeitsschutz oder Lohnfortzahlung bei Krankheit in Kraft setzen.

Keinesfalls darf die Reformdebatte dazu führen, dass Agenturen und Familien aus ihrer Verantwortung als Arbeitgeber entlassen werden. Es braucht den politischen Willen, mehr Geld in diesen Sektor der gesellschaftlichen Daseinsfürsorge zu investieren. Denn die Mehrkosten, die mit einer anständigen Bezahlung und Ausgestaltung der Betreuungsarbeit verbunden sind, können viele Familien aus eigener Kraft nicht stemmen.

Tipp: Mehr Informationen zum Thema unter www.amos-oberbruch.de .